Artenkenntnis
Warum brauchen wir Artenkenntnis?
Für die standardisierte Erfassung, Analyse und Auswertung biodiversitätsrelevanter Informationen sind Kenntnisse über die verschiedenen Arten und ihre besonderen Identifikationsmerkmale einschließlich ihrer Lebensräume unerlässlich. Für viele Artengruppen fehlt es jedoch zunehmend an Expertise zu ihrer Bestimmung.
- Eine standardisierte Befragung aus dem Jahr 2016 ergab einen Rückgang von Artenkenner*innen um 21 Prozent in den letzten 20 Jahren aufgrund erheblicher Überalterung und fehlenden Nachwuchses. (Frobel und Schlumprecht 2016)
- Gleichzeitig ergab eine Umfrage zum Jugend-Naturbewusstsein, dass 42 Prozent der Jugendlichen „sehr bis eher bereit sind“, in einem Naturschutzverein aktiv mitzuarbeiten, und dass die Natur für die Mehrheit eine hohe Bedeutung hat. (BfN 2023)
Trotz des zunehmenden Engagements von Politik und Gesellschaft für den Schutz der Biodiversität werden unzureichende Daten zur Artenvielfalt erfasst und analysiert. Ein Grund dafür ist der Mangel an Nachwuchskräften mit fundierter Artenkenntnis, sowohl in haupt- als auch ehrenamtlichen Bereichen. Dies hat nicht nur bildungspolitische, sondern auch demografische Ursachen. Zudem fehlt es häufig an Unterstützung, und das ehrenamtliche Engagement, das oft in Fachverbänden organisiert ist, stößt an seine Belastungsgrenzen. Durch die Wissenschaft oder Verbände initiierte Citizen Science-Projekte versuchen, diesen Prozessen entgegenzuwirken und personelle Kapazitäten aufzubauen. Diese Projekte sind jedoch häufig nicht dafür ausgelegt, strukturiert und vor allem regelmäßig und langfristig Daten zu erheben. Deshalb brauchen wir gezielte Schulungsangebote sowie zielgruppengerichtete Qualifizierungsangebote in Schulen und Universitäten sowie von außeruniversitären Anbietern, um das Wissen über Arten auszubauen.
Begrifflichkeit Artenkenntnis und Taxonomie
Taxonomie bezeichnet die Einordnung beziehungsweise die Klassifizierung der Arten in die biologische Systematik. Unter Artenkenntnis wird die Bestimmung der Artzugehörigkeit von Individuen verstanden. Beide Begriffe werden jedoch häufig synonym verwendet. Im vorliegenden Text wird durchweg der Begriff der Artenkenntnis genutzt beziehungsweise ist von Artenkenner*innen die Rede.
Qualifikation und Weiterbildung
In Schulen und Universitäten wird zu wenig Artenkenntnis vermittelt. Dies steht im Widerspruch zum hohen Bedarf an Nachwuchsförderung von Artenkenner*innen. Es gibt jedoch Akteur*innen, die eine solche Ausbildung verstärkt fördern können. Dazu gehören Universitäten, außeruniversitäre Ausbildungseinrichtungen, naturkundliche Museen, Umweltbildungseinrichtungen, Verbände, Naturschutzstationen und -akademien. Diese Angebote können sich auch bereits an Kinder und Jugendliche sowie ehrenamtlich Engagierte richten.
Angebote für Bildungsmaßnahmen
Es gibt mittlerweile zahlreiche Angebote für Qualifikationsmaßnahmen, um die Artenkenntnis in Deutschland zu verbessern. Im Folgenden werden einige Träger, Projekte und Initiativen vorgestellt, die sich der Vermittlung von Artenkenntnis und deren Bedeutung widmen.
Ein Beispiel ist der Bundesweite Arbeitskreis der staatlich getragenen Umweltbildungsstätten im Natur- und Umweltschutz (BANU). Der Arbeitskreis hat mit der Erarbeitung von Prüfungsanforderungen und Lehrplänen begonnen. Er stützt sich dabei auf die positiven Erfahrungen aus der Schweiz bezüglich der Qualifizierung und Zertifizierung von Artenkenntnis. Diese Maßnahmen sind wertvoll, um dem Mangel an Artenkennenden entgegenzuwirken.
Der Bundesarbeitskreis der staatlich getragenen Natur- und Umweltbildungsstätten (BANU) ist eine bundesweite Dachorganisation der Einrichtungen für Umweltbildung. Er ist als Anbieter von Qualifizierungsmaßnahmen, mit Fokus auf beruflicher Fort- und Weiterbildung, einer der Akteur*innen, der sich der Vermittlung von Artenkenntnis widmet. Seit 2019 hat der BANU ein Projekt unter dem Titel „Wissen – Qualifizieren – Zertifizieren für Artenvielfalt“ etabliert, bei dem die Qualifizierung und Zertifizierung von Artenkenner*innen nach einem bundesweit einheitlichen, mehrstufig strukturierten Modell im Mittelpunkt steht.
Das vom BfN geförderte Verbundprojekt KennArt möchte dem Verlust an Artenkenntnis entgegenwirken und Artenkennerinnen und Artenkenner für verschiedene Organismengruppen, mit dem Fokus auf Insekten, ausbilden. Das Verbundprojekt entwickelt ein mehrstufiges Schulungssystem mit Grund-, Aufbau- und Expert*innenkursen für verschiedene Organismengruppen. Neben der Ausbildung von Artenkenner*innen wird auch ein Netzwerk zum Austausch zwischen Teilnehmenden mit anderen Expert*innen gebildet. Die NABU-Naturschutzstation Münsterland und das Zentrum für Biodiversitätsmonitoring und Naturschutzforschung des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig (LIB) realisieren die Initiative. Das Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt vom BfN gefördert.
Das Projekt „FörTax“ hat das Ziel, erfolgreiche Bildungsangebote im Bereich Artenkenntnis zu entwickeln und in ganz Deutschland Interessierte und Engagierte zu vernetzen. Daran arbeiten das Bonner Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig (LIB), die Naturforschende Gesellschaft des Saarlandes e.V. (Delattinia) und die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zusammen. Gemeinsam wollen sie dem Mangel an Personen mit Artenkenntnis entgegenwirken.
Die interaktive Lernplattform der NABU|naturgucker-Akademie ist ein virtueller Lernort für Naturinteressierte. Die Inhalte bieten Informationen über Arten und Lebensräume und beziehen Naturschutzaspekte mit ein.
Bestimmungshilfen
Im Bereich der Weiterbildung gewinnen digitale Angebote an Bedeutung. Sie bieten vielfältige Möglichkeiten in der Naturschutzbildung und sprechen unterschiedliche Zielgruppen an. Besonders für die technikaffine jüngere Generation und Personen ohne Fachwissen können digitale Formate das Lernen und Naturerlebnisse verbessern.
Laut einer Umfrage zum Jugend-Naturbewusstsein finden 27 Prozent der befragten Jugendlichen digitale Angebote für ein Naturerlebnis, wie zum Beispiel einen virtuellen Waldspaziergang oder eine virtuelle Safari, interessant.
Eine Kombination aus digitalen und analogen Lernangeboten, auch „blended learning“ genannt, wird als besonders effektiv und attraktiv eingeschätzt. Solche ergänzenden Angebote fördern das das Wissen über Arten damit höchstwahrscheinlich am nachhaltigsten.
Über dnl-online.de lässt sich der Bestand an Bestimmungsliteratur der Bibliothek des Bundesamtes für Naturschutz durchsuchen.
Bestimmungshilfen zu Vegetation und Insekten
Im Folgenden finden Sie eine Sammlung von Bestimmungshilfen und Literaturübersichten, welche kontinuierlich ergänzt wird.
Mehr Wissen
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